Erfolg braucht Bilder

WETZLAR-DUTENHOFEN – Sommer 1992, Barcelona, Olympische Spiele: Die Hochsprungstange fest im Blick, schaut Heike Henkel nach vorn. Einatmen, ausatmen, einatmen. Um sie herum schwirren tausende Stimmen und Rufe aus den Stadionreihen, doch nichts lenkt die junge Frau ab.

Hat 27 Jahre nach ihrem Olympiasieg im Hochsprung viel zu erzählen: Heike Henkel. Foto: Martin Weis 😃

Acht Sekunden steht sie so da, den Mund zum Atmen geöffnet, den Blick geradeaus, die Arme rechts und links weit ausgestreckt neben ihrem Körper. Nicht einmal die 5000-Meter-Läufer, die hektisch ihre Runden drehen, können sie noch ablenken. Dann läuft Heike Henkel, geschwind wie immer, los, überspringt die Latte, die auf 2,02 Meter liegt, und gewinnt Gold. Vor der Rumänin Alina Astafei und der Kubanerin Ioamnet Quintero. Stefka Kostadinowa, die Favoritin aus Bulgarien, hat nicht mehr die Form früherer Jahre und wird Vierte.

Dass sie damals jene Medaille gewann, nach der Sportler für gewöhnlich ihre komplette Karriere lang streben, verdankte Heike Henkel ihren über lange Zeit erarbeiteten Routinen. Heute, über 27 Jahre später, gibt sie diese als Vortragsrednerin und Mentaltrainerin weiter.

So auch auf Einladung der Space Party Crew against Aids im evangelischen Gemeindezentrum in Wetzlar-Dutenhofen, in dem über 100 Interessierte eingefunden haben, um der heute 55-Jährigen gebannt zuzuhören.

Die gebürtige Kielerin, die mit dem ehemaligen Schwimmer Rainer Henkel zwei Söhne und mit ihrem heutigen Ehemann, Ex-Zehnkämpfer Paul Meier, eine gemeinsame Tochter hat, thematisiert in ihrem Vortrag die Bedeutung der Selbstmotivation, insbesondere nach Niederlagen oder Fehlschlägen.

Früh erkennt sie, dass ihre Vorstellungen und ihre Bilder im Kopf ihr Leistungsvermögen in bestimmten Situationen positiv oder auch negativ beeinflussen können. „In Seoul 1988 fühlte ich mich verloren. Das olympische Dorf war eine gesichtslose Hochhausburg, das Stadion spärlich besetzt, die Begeisterung gering.

Da habe ich mich nicht motivieren können.“ Sehr bewusst beginnt sie, negativ erlebte Bilder zu verarbeiten und in Positive zu verwandeln. Mit diesen positiven Bildern bereitet sie sich immer öfter auf Wettkämpfe vor und lernt, damit auch schwierige Trainings- und Wettkampfphasen zu überwinden. Bis es ihr schließlich bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona gelingt, ihre schönsten Bilder in die Realität umzusetzen.

Gemeinsam mit der Potenzialentwicklerin Anke Precht hat sie ihr Wissen im Buch „Entfessle dich – wie du aus dir machst, was in dir steckt“ aufgeschrieben. Darin erklärt sie, wie jeder – egal in welchem Beruf er oder sie auch arbeitet – Ziele leichter erreichen kann. Es versteht sich von selbst, dass sie einige Exemplare auch mit nach Dutenhofen gebracht hat, um sie für 24,50 Euro handsigniert an den Mann oder auch die Frau zu bringen …

Schon in jungen Jahren wollte Heike Henkel irgendwann eine Medaille bei Sommerspielen gewinnen. Doch niemand wird von heute auf morgen Olympiasiegerin. Intuitiv setzt sie sich Etappenziele für das eine, ganz große Vorhaben: lokale, dann nationale und erst dann internationale Wettbewerbe gewinnen. „Durch die Erfahrung, etwas Neues geschafft zu haben, habe ich mich auch erst richtig motiviert“, erzählt sie. „Etappenziele sollten umsetzbar und erfolgversprechend sein“, rät die 1,82 Meter große Blondine, die noch immer so aussieht, als habe sie das Stadion Nou Camp gerade als Olympiasiegerin verlassen.

Als Heike Henkel ihr erstes Kind bekommt, will sie am liebsten sofort wieder über zwei Meter hoch springen. Das Ergebnis: eine Verletzung. Daraus hat sie gelernt und rät, sich nicht mit Konkurrenten oder einer früheren Leistung zu vergleichen, wenn sich die Umstände geändert haben. „Sei fair mit dir und passe deine Ziele an“, sagt sie. Nach und nach folgen dann auch wieder die großen Erfolg Henkels Stresssituation war der Hochsprung vor vollen Zuschauerrängen.

Wie 1984 in Los Angeles, wie acht Jahre später in Barcelona.
Ohne auf diese Situationen einzugehen, konnte sie aber keine Olympiasiegerin werden. Sie hat gelernt, sich auf auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Denn Training schaffe Routine, und Routine bringe Sicherheit. „Fleiß kann in jedem Fall Talent schlagen.“

Die Besucher im evangelischen Gemeindezentrum, darunter auch Wetzlars ehemaliger Oberbürgermeister Wolfram Dette, der Schirmherr der Veranstaltung, quittieren das Gehörte mit Applaus.

AM 8. MAI KOMMT KATI WILHELM

Kati Wilhelm war Biathletin. Fünffache Weltmeisterin und dreifache Goldmedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City und 2006 in Turin. Am Freitag, 8. Mai, kommt die 43-Jährige aus dem thüringischen Steinbach-Hallenberg im Landkreis Schmalkalden-Meiningen auf Einladung der Space Party Crew um 19 Uhr (Einlass: 18.30 Uhr) in in Wetzlar-Münchholzhausen.

Nach Schwimmer Michael Groß, Kanutin Birgit Fischer und Hochspringerin Heike Henkel ist Kati Wilhelm die vierte Olympia-Medaillengewinnerin, die sich innerhalb von gut 14 Monaten auf Einladung der Space Party Crew in Mittelhessen die Ehre gibt. (afi)

Von Alexander Fischer Chefreporter Wetzlarer Neue Zeitung