1. Bericht Marlene Epp 29.08.2012
Erstellt von Toni
Liebe Förderer, Freunde, Bekannte, Verwandte, Freiwillige und Andere Wohlgesonnene!
Namaskara! Es ist Zeit für ein erstes Hallo aus Indien!
Vorab:
Ihr seit die „Auserwählten“ für meine Rundmails, die ich ab und zu senden werde. Falls ihr euch jetzt fragt, warum zu Hölle ihr solche nervigen Mails von mir bekommen sollt, dann schreibt schnell zurück und -schwupps- in Zukunft herscht Funktstille. Falls ihr sowieso schon sehnsuchtsvoll auf irgendein Lebenszeichen von mir gewartet habt: Bitteschön hier ist es! Und falls ihr mitbekommt, dass ich Irgendwen vergessen habe: Möge er sich bei mir melden und ich füge ihn dem Verteiler zu.
Die ersten Tage meines neuen indischen Lebens liegen hinter mir. Endlich bin ich in meiner Gastfamilie und meinem Projekt in Mysore in Südindien angekommen. Und endlich habe ich die Möglichkeit mich richtig einzurichten und zuhause zu fühlen…
Orientation Camp:
Nachdem meine einjährige Reise am 9ten August begann, startete meine Zeit in Indien mit einem Camp in Bangalore, der IT Hauptstadt von Karnataka, dem Bundeststaat in dem ich lebe. Bis zum 18ten August hatte meine Empfängerorganisation ICDE India (www.icdeindia.org) Zeit, mich und weitere 46 Freiwillige auf unser Leben, Wohnen und Arbeiten vorzubereiten. Und natürlich, um uns ein paar indischen Eigenheiten näher zu bringen: Gegessen wird mit der rechten Hand, es gibt Hocktoiletten ohne Klopapier, Männer halten mit Männern Händchen und Frauen mit Frauen, Zähnegeputzt wird vorm Frühstück, man sitzt ordentlich, sobald Jemand anwesend ist, der älter ist, als man selbst, man trägt jeden Tag frische Klamotten und diese soll Ausschnitt, Schultern und Knie bedecken, u.s.w. .
Unsere Gruppe bestand zum großen Teil aus Deutschen, aber es waren auch 3 Freiwillige aus Equador, eine Schwedin, eine Französin, ein Japaner, vier Finnländer, einer aus Costa Rica, eine Südkoreanerin, drei Schweizer und eine Östereicherin mit von der Partie. Warum so viele Deutsche? Kein Anderes Land ermöglicht solch wunderbare staatliche finanzielle Unterstützung wie ich sie im weltwärts-Programm genieße (www.weltwaerts.de). Es ist wirklich ein Privileg und ich bin sehr dankbar dafür!
Die ersten Tage im Camp vergingen schnell. Neben den bereits erwähnten Do and Dont’s wurde unsere Zeit mit einem Kannanda-Sprachkurs, Tanzstunden, indischem Essen in rauen Mengen, Rechte und Pflichten klären, 9 Stunden Aufenthaltsgenehmigung beantragen und einer großen Abschlussfeier am letzten Abend gefüllt… and for sure speaking english all the time!
Host family:
Was aber auch nicht ganz stimmt. Klar, Englisch ist erste Amtsprache, aber das heißt noch lange nicht, das die Jeder spricht.
Meine 36-jährige Gastmutter, Girija, spricht nur ein paar Wörter und ansonsten Kannada, die lokale Sprache Karnatakas. Aber das ist überhaupt kein Problem, denn erstens, kann man sich prima non-verbal verständigen, zweitens, möchte ich ja sowieso Kannada lernen und drittens, ist sie einfach so super nett, dass die Verständigung zweitranging ist. Im Zweifelsfall lacht man einfach zusammen. Außerdem kann Aishwarya, oder kurz: Aishu, prima übersetzen. Aishu ist meine 16-jährige Gastschwester. Sie geht schon zur Uni und studiert irgendwas mit Naturwissenschaften. Meinen Gastvater habe ich noch nicht kennengelernt. Er arbeitet und lebt auf einer Farm, die Kokosnüsse, Seide und anderes anbaut, und kann deswegen nur selten nach Hause kommen.
Girija und Aishu sind unglaublich nett und offen und wir haben viel Spaß zusammen, sodass ich schon anfange mich hier wirklich zuhause zu fühlen. Sie haben zum ersten mal Freiwillige, die für ein ganzes Jahr bleiben. Freiwillige? Mehrzahl? Genau! Ich bin nicht die einzige Freiwillige die bei Aishu und Girija wohnt.
Wir wohnen zu dritt im unteren Stockwerk und haben wirklich viel Platz: Ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, ein kleines Klo und ein Bad zum duschen und Wäsche waschen (natürlich mit der Hand!). Mery aus Finnland schläft im Wohnzimmer. Catharina, die auch aus Deutschland kommt, und ich teilen uns das Schlafzimmer, welches von einem 1,2 Bett und einem Metallschrank, welchen ich bereits mit nem Haufen Fotos verschönert hab, ausgefüllt wird.
Project:
Mit Cadda arbeite ich auch zusammen. Am Dienstag hatten wir unseren ersten Arbeitstag in der Beautiful Gate Special School (www.bgssindia.org). Die BGSS ist eine Schule für Kinder mit Behinderung. Sie ist zweigeteilt. Cadda und ich arbeiten in dem Teil mit 9 älteren Kindern, die relativ fit sind. Cadda unterrichtet Deutsch/Sprache und ich unterrichte Mathe/Kognition. Der bisherige Matheunterricht war etwa auf dem Level der 1. Klasse. Und Neben Zahlen lernen und einfachen Additions- und Subtraktionsaufgaben gehört natürlich auch Farben erkennen oder lernen die Uhr zu lesen dazu. Ich unterrichte immer 2-3 Kinder gleichzeitig, was aber wirklich genug ist! Jedes Kind muss auf seinem Level abgeholt werden, und das ist nicht nur von Kind zu Kind, sondern auch von Tag zu Tag unterschiedlich.
Momentan ist es wirklich noch sehr schwierig. Die ersten Tage waren oft verwirrend und/oder überfordernd. Oft kann ich nicht unterscheiden, ob ein Kind gerade keine Lust hat oder ob es die von mir gestellte Aufgabe nicht lösen kann. Es braucht Zeit bis die Kinder sich an uns gewöhnen, sie fragen noch sehr oft nach unseren Vorgängerinnen. Und ich kenne noch nicht die Eigenheiten der Kinder und die Motivationstricks.
Das Klima an der Schule ist wirklich gut. Alle Mitarbeiter sind sehr nett, genauso, wie die Chefs der Schule: John und Sunitha. Sie sind verheiratet und haben einen behinderten Sohn, der die BGSS besucht. Sunitha ging in Heidelberg zum College und hat in Amerika studiert. John kommt aus Amerika. Er hat uns zu beginn sehr herzlich empfangen und uns sogar Unterrichtsmaterialien gegeben. Mal sehen, ob wir sie wirklich gebrauchen können.
Generell ist mein erster Eindruck der Schule sehr positiv. Sie ist nicht nur von außen bunt gestaltet sondern bietet auch ein abwechslungsreiches Programm. Nicht nur einfach Mathe, Deutsch und Computer sondern auch Tanzen, Basteln, Kunsttherapie und Projekttage. In den Pausen fahren die Kinder Fahrrad, spielen Cricket, Schaukeln oder klettern auf dem Gerüst herum. Ein wirklich schönes Bild, wie jeder so seine Lieblingsbeschäftigung hat.
India:
Es ist mir unmöglich euch Indien zu beschreiben, aber vieleicht kann ich euch ein paar Bilder aus meinem Alltag zeichnen.
Entlang meines Schulwegs sehe ich Affen auf Dächern, Kühe die sich chillig durch die Gegend (oder durch den Müll?) futtern, im Schatten liegende Hunde, 4-jährige Kinder in Schuluniformen, kleine Hütten mit Dächern aus Palmenblättern deren Bewohner an der Wasserstelle anstehen. Ich laufe am Straßenrand entlang und werde von kleinen Bussen, Rollern, Rikshas und Fahrrädern überholt. Gehupt wird hier offenbar grundsätzlich vor jedem überholen, vor jeder Kreuzung statt zu bremsen und manchmal auch zwischendurch. Ausnahmen gibts natürlich, aber der Hupgebraucht ist schon enorm – und es gibt wirklich 1000 verschiedene Huptöne!
Am Donnerstag waren Cadda und Ich zum ersten Mal in der Innenstadt von Mysore. Es war ein schönes Abendteuer: Indische Süßigkeiten probieren, erste Feilschversuche, Straßenhändler loswerden, leckere Bananen essen, Geld tauschen in einer Zwielichtigen Wechselstube, Metallbox kaufen- und dann passierte es: MONSUN*!
Noch am Nachmittag hatte uns Hema von der BGSS erzählt, dass die Monsunzeit eigentlich schon wieder fast vorbei wäre, der Regen jedoch dieses Jahr mehr oder weniger ausgeblieben ist. Und dann hat es uns in der Stadt überrumpelt. Wir haben uns noch schnell in einen Unterschlupf geflüchtet und dann standen wir da rum. Zusammen mit etwa 20 Indern konnten wir zusehen, wie die Straßen überflutet wurden und Sturzbäche aus den Regenrinnen der Dächer kamen. Den Monsun, den ich am Donnerstag miterlebt habe, kann man sich etwa vorstellen wir ein richtig starkes Sommergewitter. Mit dem kleinen aber entscheidenden Unterschied, dass es nicht nach 5 Minuten aufhört, sondern überhaupt nicht! Wir warteten und warteten, nichtmal Chai gab es in erreichbarar Nähe! Nach 45 Minuten verwandelte sich der Megastarke Regen in normalen Regen und ich und Cadda entschieden, das sei wenig genug. Es muss wohl ziemlich ulkig ausgesehen haben wie wir zwei weiße Mädels pitsche patsche Nass durch die überfluteten Straßen wateten, das Wasser bis über die Knöchel. Letzendlich haben wir unser Zuhause erreicht und eine witzige Erinnerung hinzugewonnen!
Soweit zu „meinem“ Indien…